Dresden 1945: Wir dürfen die Erinnerung nicht den Rechtsextremen überlassen
Vor 79 Jahren wurden große Teile Dresdens bei alliierten Luftangriffen zerstört, heute missbrauchen Rechtsextreme die Erinnerung. Wir müssen uns wehren, fordert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Die Vergangenheit kann niemals objektiv wiedergegeben werden, sie wird stets mit einem bestimmten Narrativ intoniert. Die Folgen lassen sich anschaulich bei der stets wiederkehrenden gesellschaftlichen Debatte um das Erbe der DDR in den ostdeutschen Bundesländern beobachten. Geschichte hat das Potenzial, eine Gesellschaft zu spalten.
Vor diesem Hintergrund bieten Gedenkstätten, Bildungseinrichtungen und Museen einen unschätzbaren Mehrwert: Sie ermöglichen historische Aufklärung aus möglichst neutraler Perspektive. Sie schaffen eine kollektive Erinnerungskultur und arbeiten präventiv gegen das Vergessen von Diktatur, Faschismus und Antisemitismus. Historische Aufklärung stützt unsere wertebasierte Demokratie, ihre Notwendigkeit ist Konsens in jeder liberalen Gesellschaft.
Genau aus diesem Grund versuchen Rechtsextremisten seit jeher, die kollektive Erinnerung an historische Ereignisse mit ihren eigenen Botschaften zu infiltrieren und so die Erinnerung für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Besonders deutlich wird dies beim Gedenken an die Gräuel des Naziregimes.
Abstoßende Geschichtsverzerrung
Vertreter der rechtsextremen AfD relativieren den Nationalsozialismus als einen "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte. Man könne stolz sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen. Sie fordern die Neugründung einer SA. Und das große Problem sei, dass „man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ Diese verbalen Angriffe auf das Andenken von Millionen Opfern des Nationalsozialismus sind nicht nur abstoßend, sie sind auch gefährlich.
Sie lenken von den Hintergründen und Motiven des nationalsozialistischen Terrors ab und versuchen, dessen faschistische Ideologie in unserer Gesellschaft zu legitimieren. Ihren traurigen alljährlichen Höhepunkt erreicht die Geschichtsverfälschung beim Gedenken an die alliierten Luftangriffe auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945.
Die Methoden der Rechten sind dabei perfide wie professionell: Wer sich online über das Gedenken an die Bombardierung Dresdens vor 79 Jahren informieren möchte, stößt schnell auf die Website "dresden-gedenken.info". Was nach objektiven Fakten, nach Wissen und Bildung klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein rechtsextremistisches Propagandablatt. Von "alliiertem Bombenterror" und von "staatlich bestellten Geschichtsfälschern" ist dort die Rede.
Über Umwege findet man schließlich zu den "Jungen Nationalisten", der Jugendorganisation der NPD („Die Heimat“), die diese Seite betreibt. Ihr Ziel: Eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad – so wie es der thüringische AfD-Chef Björn Höcke in seiner infamen Rede einst gefordert hatte.
Dresden muss uns Mahnung sein
Dass Rechtsextremisten versuchen, die kollektive Erinnerung für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren, ist keineswegs eine neue Entwicklung. Doch während sich vor zehn Jahren noch einige tausend Rechtsextreme in Dresden versammelt hatten, findet die AfD mit ihrer bewusst provozierenden Geschichtsverfälschung Gehör bei Millionen Menschen.
Die Folgen haben wir in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren bekommen – vom Mord an Walter Lübcke über die unzähligen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte bis hin zum jüngst aufgedeckten Treffen zur Planung einer Deportation von Millionen Einwanderern.
Das Gedenken an Dresden ist eine Mahnung vor all jenem, das die Rechtsextremen wieder salonfähig machen will. Das Gedenken an Dresden ist eine Mahnung vor Krieg und Diktatur, vor Hass und Ausgrenzung, vor Faschismus und Nationalismus. Wir müssen uns wehren, wenn geschichtsverfälschende Propaganda in die demokratischen Institutionen getragen wird. Wir müssen uns wehren, wenn Rechtsextreme die Deutungshoheit über nationalsozialistische Verbrechen erlangen wollen. Wir müssen über unsere Vergangenheit sprechen, die Erinnerung wachhalten und dafür sorgen, dass die Ursachen, die zum Tod Zehntausender Dresdner Bürger und Millionen weiterer Menschen geführt haben, nie wieder gesellschaftsfähig werden.