„Erdogan verhöhnt die Frauen und Europa“

Mit dem Austritt aus der „Istanbul-Konvention“ instrumentalisiert der türkische Präsident Recep Erdogan die Rechte von Frauen in der Türkei und verhöhnt die Werte der EU.

Am vergangenen Freitag hatte sich das türkische Staatsoberhaupt noch mit den beiden Präsidenten von EU-Kommission und Europäischem Rat, Ursula von der Leyen und Charles Michel, ausgetauscht. Thema waren die angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und der EU, die beim Europäischen Rat Ende dieser Woche eigentlich verbessert werden sollten.

Das war alles nur Schauspielerei. Dass Präsident Erdogan in derselben Nacht per Dekret den Austritt aus dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt gegen Frauen entschied, ist eine bewusste Provokation. Der völkerrechtliche Vertrag war 2011 ausgerechnet in der türkischen Metropole am Bosporus entstanden und gibt ihr bis heute den Kurznamen Istanbul-Konvention. Präsident Erdogan hatte die Vereinbarung damals vor Ort als Erster unterzeichnet. Jetzt tritt seine Regierung als erster Staat aus und macht damit deutlich, dass die Frauen Menschen 2. Klasse in der Türkei sind, dass sie noch nicht einmal effektiv vor Gewalt geschützt werden. Die Türkei setzt damit ein Signal, das die EU nicht unbeantwortet lassen kann.

Gewalt gegen Frauen ist nie akzeptabel. Und es ist im Augenblick dringend notwendig, die Schutzmaßnahmen für Frauen und Mädchen zu erhöhen.

Schläge und Morde an Frauen durch ihre Ehepartner waren bereits vor der Corona-Epidemie der Grund, der die politischen Entscheidungsträger zum Handeln bewegte und zur Entstehung der weltweit einzigen Konvention gegen häusliche Gewalt führte. In Zeiten der Corona-Krise hat sich dieses Problem noch einmal erheblich verschärft und wird von UN Women treffend als Schatten-Pandemie bezeichnet. Aktivistinnen und Frauenhäuser, aber auch Regierungen berichten von gestiegenen Hilferufen und einer höheren Nachfrage nach Notunterkünften.

Der angekündigte Austritt der Regierung Erdogan aus der Istanbul-Konvention bedeutet zwar nicht, dass häusliche Gewalt gegen Frauen in der Türkei legalisiert wird, wie in vereinzelten Kommentaren und Reaktionen fälschlicherweise zu lesen war. Jedoch besitzt der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention eine enorme Symbolkraft und ist geeignet, deren Anliegen und damit den Kampf gegen die häusliche Gewalt gegen Frauen erheblich zu schwächen. Präsident Erdogan sendet nach außen wie nach innen das Zeichen, dass angeblich vom Westen oktroyierte Werte“ keinen Platz in einer konservativ geprägten Türkei haben.

Gewalt gegen Frauen ist nie akzeptabel. Und es ist im Augenblick dringend notwendig, die Schutzmaßnahmen für Frauen und Mädchen zu erhöhen. Die Regierung Erdogan tut das Gegenteil. Die EU kann über den Austritt aus der Istanbul-Konvention nicht hinwegsehen. Eine deutliche Reaktion ist geboten!