„Der Staatstrojaner ist mit dem IT –Grundrecht unvereinbar“
Pressemitteilung zu den Verfassungsbeschwerden von FDP – Bundestagsabgeordneten gegen den sog. Staatstrojaner für die Bundespolizei und den Verfassungsschutz.
Sabine Leutheusser – Schnarrenberger, ehem. Bundesjustizministerin und Gerhart Baum, ehem. FDP -Bundesinnenminister.
Mit der Verfassungsbeschwerde einer großen Zahl von Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion gegen den sogenannten Staatstrojaner, eine Spähsoftware für Bundespolizei und Verfassungsschutz, wird dem Bundesverfassungsgericht die Chance gegeben, das 2008 begründete wichtige IT-Grundrecht weiterzuentwickeln und an die aktuellen tatsächlichen technischen Begebenheiten und Anforderungen anzupassen. Eine solche Fortentwicklung zum Schutz der IT –Sicherheit, der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ist dringend nötig.
Diese aktuellen Verfassungsbeschwerden setzen fort, was Gerhart Baum und Burkhard Hirsch erreicht haben, als das Bundesverfassungsgericht 2008 das IT-Grundrecht begründete, das die Aufgabe des Staates konkretisierte, die IT – Infrastruktur zu sichern, die von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden muss, ohne dass sie selbst für ausreichende Sicherheit sorgen können.
Seitdem hat sich auch in tatsächlicher Hinsicht sehr viel verändert. Cyber-Angriffe rechnete man 2008 eher Science-Fiktion-Filmen zu, heute ist das Realität - nicht nur in fernen Ländern, sondern auch bei uns in Deutschland. Cyber-Angriffe können Stromkraftwerke und Krankenhäuser lahmlegen, wie zuletzt in Düsseldorf bei der dortigen Uniklinik, wo sogar ein Mensch zu Tode kam. Der Staat kommt seiner Verpflichtung aus den Grundrechten nicht ausreichend nach. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher und verfassungsrechtlich fragwürdig, ja falsch, die Nachrichtendienste faktisch aufzufordern, sich auf dem Schwarzmarkt, dem Darknet, Sicherheitslücken zu kaufen, um sie für das Einschleusen von Staatstrojanern auszunutzen. Damit schafft der Staat für Kriminelle neue Anreize, mehr IT-Sicherheitslücken zu finden und sie auf dem Schwarzmarkt zum Kauf anzubieten. Das ist das Gegenteil von dem, was das Bundesverfassungsgericht mit dem IT –Grundrecht verlangt. Zudem sind beim Bundesverfassungsgericht die unter anderem von uns eingereichten Verfassungsbeschwerden gegen den Staatstrojaner in der Strafprozessordnung anhängig, die sich mit denselben Rechtsfragen befassen.
Hinzukommt, dass der Staatstrojaner kein Mittel ist, dessen Verwendung sich bei den Nachrichtendiensten zielgenau allein auf Verfassungsfeinde begrenzen lässt. Er ist ein digitaler Spion, der Menschen beim Denken und Handeln zusieht. Praktisch bedeutet das die Überwachung der laufenden persönlichen Kommunikation in Messengerdiensten, auch wenn keine konkreten Verdachtsmomente vorliegen. Und natürlich ist die laufende Kommunikation nur schwer von schon gespeicherten Informationen zu trennen, auf die zum Beispiel Bezug genommen wird.
Wir erleben eine in der Bundesrepublik noch nie dagewesene Form von Überwachung. Die in den letzten Jahrzehnten immer wieder neu geschaffenen Befugnisse – zu nennen ist beispielsweise die anlasslose Vorratsdatenspeicherung und die einheitliche Personenkennziffer für alle Menschen -, die tief in die Grundrechte eingreifen, müssen im Gesamtzusammenhang bewertet werden, um die Tiefe des Eingriffs durch den Staatstrojaner richtig einordnen zu können.
Deshalb hat die Friedrich – Naumann – Stiftung für die Freiheit beim Max –Planck – Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht eine Studie in Auftrag gegeben, eine Gesamtübersicht der Freiheitsbeschränkungen zu erstellen, die die Grundlage für ein immer wieder erstelltes Freiheitsbarometer sein soll.